Ich habe heute ein spannendes Projekt begonnen. Vor wenigen Minuten habe ich bei Neobooks, der neuen Autorenplattform der Verlagsgruppe Droemer Knaur, einen Auszug aus meiner Novelle Der Koffer online gestellt.
Neobooks hat ein faszinierendes Konzept: Autoren auf Verlagssuche stellen ihre Texte in der Community ein, eine Gemeinschaft aus Lesern und Autoren liest & rezensiert die Texte. Alle drei Monate prüft das Lektorat des Droemer Knaur Verlags die zehn bestplatzierten Texte auf eine Publikationsmöglichkeit als Print- bzw. eBook.
Ich bin von diesem Konzept in der Theorie begeistert: Kollegen und Leser rezensieren also meinen Text und empfehlen mich so bestenfalls dem Lektorat für eine Veröffentlichung? Neobooks: endlich eine taugliche Möglichkeit, meinem Manuskript ein Gütesiegel auf den Umschlag zu heften, das es aus dem himmelhohen Stapel unverlangt eingesandter Texte hervor stechen lässt? Ich bin unheimlich neugierig, ob dieses Konzept in der Praxis tatsächlich tragfähig ist. In den kommenden dreißig Tagen finden Sie deshalb hier in meinem Blog eine Art Tagebuch zu meinen ganz persönlichen Erfahrungen mit Neobooks.
Hier gehts direkt zum Manuskript: Der Koffer bei Neobooks.
Lieber Wolfgang, habe gerade in deine Novelle hineingelesen und muss sagen, dass es mich nicht wundert, dass du bisher noch keine Kommentare bekommen hast. Ehrlich gesagt würde ich mir selbst es auch nicht antun, in diesem veralteten Stil mehrere Seiten zu lesen. Nicht, dass du nicht schreiben könntest oder dieser Stil schlecht wäre, nein. Er ist nur völlig unzeitgemäß. Wenn ich so etwas lesen will, greife ich nach denen, die diesen Stil schrieben, weil er in ihrer Zeit so üblich gewesen war. Ich bevorzuge immer das Original und nicht die Kopie, auch wenn sie noch so gut gemacht ist. Das ist aber natürlich auch Geschmackssache und stellt nur meine eigene persönliche Meinung dar.
Viel Erfolg bei neobooks wünscht Cornelia
Liebe Cornelia,
erst einmal vielen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast, einen so ausführlichen Kommentar zu schreiben.
Laß mich versuchen, Dir zweigeteilt zu antworten:
1. Du bekommst keine Rezensionen, weil Dein Stil veraltet ist
Das ist ein interessanter Ansatzpunkt. Dann freue ich mich auch über entsprechend „negative“ Rezensionen. Bist Du selbst auch bei Neobooks online? Dann setz doch Deine Rezension dort ein. Schließlich geht es mir um ein offenes Feedback, auch wenn sich daraus keine Fürsprache für meinen Text ergibt. An alle anderen: natürlich freue ich mich auch über hymnische Besprechungen. 🙂
2. So kann man heute nicht mehr schreiben
Ich glaube nicht an die Linearität von literarischen Stilen. Ein Stil stirbt nicht mit den Autoren aus, die ihn kultiviert haben. Dann wäre die Literatur schon sehr früh wieder eingegangen.
Ich habe diese Art zu Schreiben gewählt, weil mein Text, mein Gegenstand danach verlangt. Nicht als wehmütige Remisizenz an vergangene Zeiten.
Vielleicht kann ich das mit einem Beispiel aus einem anderen Gebiet verdeutlichen: während des Studiums habe ich mich mit einem Komponisten angefreundet, der neben seinen atonalen Kompositionen auch – heimlich! – ganz klassische, oder besser spätromantische Stücke geschrieben hat. Nicht als Imitation, als Rückschritt oder Regression. Sondern weil er der Meinung war, dass er in dieser Tonsprache etwas zu sagen hat. Ich erinnere mich noch sehr gut, wie er mir einmal am Klavier einen Teil einer symphonischen Dichtung vorgespielt hat. Das ist jetzt knapp 10, 12 Jahre her. Ich habs gerade mal versucht: eins der wunderschönen Themen kann ich heute noch vor mich hinsummen…
Trotzdem habe ich natürlich mit Reaktionen in Deinem Sinne gerechnet, seit ich in diesem Stil schreibe. In meinem Versandpaket für die Verlage habe ich das für meine Erzählung „Die Rotkäppchen Etüde“ so formuliert: die Rotkäppchen Etüde ist eine kleine Geschichte für all die vielen Musikliebhaber, die ganz unabhängig von der Vielfalt der Neuen Musik nach wie vor gerne ein Konzert in der klassischen Formensprache hören. Erfreulicherweise hat der Lektor des Hanser Verlags ausgerechnet diese Erzählung in seiner Absage besonders lobend erwähnt.
Witzigerweise ist Dein Kommentar hier tatsächlich die erste Reaktion in diesem Sinne. Die Allererste. Aber ganz sicher nicht die Letzte!
Und trotzdem und gerade deshalb: vielen Dank noch einmal, dass Du Dir die Zeit genommen hast, so ausführlich von Deinem Eindruck zu berichten!