In meiner letzten Arbeits-Sitzung hat sich in meine Novelle „Der Koffer“ ein völlig neuer Handlungs-Strang eingeschrieben. Ich habe noch einmal viel über den arabischen Frühling und die Revolution in Syrien gelesen und festgestellt, dass ich eine ganz wichtige Stimme in diesen Zusammenhängen gar nicht zu Wort kommen lasse. Den Rahmen „Novelle“, der ohnehin bisweilen schon ziemlich einengend auf den Text gewirkt hat, habe ich damit endgültig gesprengt. Für die Geschichte – und für mich als ihren Erzähler- ist das sehr befreiend gewesen.
Für mich war die Form „Novelle“ lange Zeit vor allem ein strukturgebendes Element. In der Novelle dominieren klassischerweise die äußeren Umstände das Individuum, die Geschichte geschieht eher den Personen, als dass sie sie gestalten. Eine Erlebnis-Struktur, die sehr gut zu dem passt, was Menschen in einem totalitär geführten Land widerfährt. Sie werden getrieben und bestimmt von äußeren Handlungs-Zwängen. Die „äußere“ Struktur der Handlung trägt dementsprechend auch weiterhin diese Form. Aber durch die Umarbeitung als Roman habe ich noch mal mehr die Freiheit, das, was im Inneren der Figuren passiert, zu reflektieren. Und ich kann die ganze Geschichte mit sehr viel mehr Stimmen erzählen.
Die Skizze ist fertig. Ich schreibe direkt vom ersten Kapitel aus weiter, arbeite die bestehenden Kapitel um, schreibe neue Kapitel hinzu. Ein sehr schönes, faszinierendes Erlebnis, einen vermeintlich abgeschlossenen Text auf diese Weise noch einmal völlig neu zu denken und zu schreiben…